Pfarrhaus ‚St. Marien‘
Der katholische Pfarrer Ludwig Bauer bekam im April 1942 die Pfarrei St. Marien in Neustadt. Bereits vorher wurde er überwacht und schließlich, im August 1942, von der Gestapo Neustadt verhaftet, drei Monate festgehalten und kam dann nach Dachau. Bis zum 4. April war er im KZ, wurde entlassen und kam wieder zurück nach Neustadt.
Der totalitäre nationalsozialistische Staat ging in vielfältiger Form gegen die Kirchen vor. 1937 wandelte er alle pfälzischen Konfessionsschulen in Simultan- und Gemeinschaftsschulen um. Verbände und Jugendorganisationen wurden gleichgeschaltet. Innerhalb der Kirchen gab es gegen den NS-Staat sowohl Widerstand als auch Unterstützung. Eine Eindeutigkeit gegen den Staat hat bei beiden großen Kirchen immer gefehlt. Viele katholische und protestantische Geistliche erhielten Predigt- und Unterrichtsverbot. Sechs katholische Geistliche kamen ins KZ. Jakob Martin, katholischer Pfarrer in Neustadt-Königsbach, wurde 1933 schwer misshandelt und einige Tage inhaftiert. Er starb 1938.
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zu Alfred Delp
Historischer Kontext
Die Kirchen im „Dritten Reich“ – der Kampf gegen die Religion führte viele Christen in den Widerstand
Die Gegensätze zwischen Nationalsozialismus und Christentum waren von Anfang an unüberbrückbar. Einer wirren neoheidnischen Ideologie, die die Überlegenheit der „nordischen Rasse“, tödlichen Hass auf alle Juden und die Unterwerfung anderer Völker zum politischen Prinzip machte, stand eine fast zwei Jahrtausende alte Religion gegenüber, die von der Gleichheit aller Menschen vor ihrem Schöpfer ausgeht und Ideale wie Barmherzigkeit und Friedfertigkeit verkündet.
Die Vergötzung des totalitären Staates unter dem „Führer“ Adolf Hitler, dessen Wille oberstes Gesetz war, ließ sich nicht mit der christlichen Überzeugung von der Verantwortung jedes einzelnen und damit auch der Machthaber vor Gott vereinbaren. (…) Nach Hitlers „Machtergreifung“ 1933 verbarg die NS-Führung allerdings ihre Absichten. Öffentlich warb die neue „Regierung der nationalen Erhebung“ um das Vertrauen der Christen. In ihrer ersten Regierungserklärung versprach sie, „das Christentum als Basis unserer gesamten Moral . . . in ihren festen Schutz“ zu nehmen. (…) Das Täuschungsmanöver war anfangs erfolgreich. (…)
Der deutsche Protestantismus, der im Kaiserreich mit dem evangelischen Herrscherhaus an der Spitze fast als Staatsreligion betrachtet worden war, hatte sich (…) nur schwer mit der Weimarer Demokratie identifizieren können. Trotz aller Vorbehalte fand deshalb eine christlich-autoritäre Staatsform, wie sie Hitler nun anzustreben schien, bei vielen Protestanten – bisweilen begeisterte – Zustimmung. Die Speerspitze im Sinne des Regimes bildete die 1932 gegründete Bewegung der „Deutschen Christen“, die bereit war, Elemente der NS-Ideologie mit der christlichen Lehre zu verbinden und getaufte Juden aus der Kirche auszuschließen. (…)
Der ostpreußische Wehrkreispfarrer und Hitler-Vertraute Ludwig Müller, (…) führte die Evangelische Jugend in die Hitlerjugend und begann mit der Entlassung „nichtarischer“ oder politisch „unzuverlässiger“ Geistlicher und Kirchenbeamter. Besonders gegen den „Arierparagraphen“ im Dienstrecht, den deutlichsten Verstoß gegen evangelische Glaubensgrundsätze, formierte sich die innerkirchliche Opposition. Im September 1933 rief der Berliner Pastor Martin Niemöller den „Pfarrernotbund“ ins Leben, dem bis Januar 1934 mit 7.000 mehr als ein Drittel der rund 18.000 evangelischen Pastoren beitraten, während sich 2.000 zu den „Deutschen Christen“ bekannten.
Der Versuch der „Reichskirchenregierung“ unter Müller, die „Gleichschaltung“ der Kirche mit allen Mitteln einschließlich der Inhaftierung missliebiger Geistlicher voranzutreiben, führte zu einer Verbreiterung der Opposition über den Notbund hinaus. (…) Es war die Geburtsstunde der „Bekennenden Kirche“, die nun zum Zentrum der protestantischen Opposition gegen die „Reichskirchenregierung“ wurde.
Noch im Herbst 1934 kündigte sie dem Reichsbischof unter Berufung auf kirchliches Notrecht den Gehorsam auf und setzte gegen ihn eine „Vorläufige Kirchenleitung“ ein. (…) Die Nationalsozialisten antworteten mit Gewalt und Unterdrückung – und entlarvten damit Hitlers Kirchenpolitik endgültig als das, was sie stets war: ein Feldzug zur Vernichtung dessen, was den christlichen Glauben ausmacht. Viele Protestanten (…) trieb diese Erfahrung in den politischen Widerstand. Manche von ihnen, wie der Theologe Dietrich Bonhoeffer, bezahlten es mit dem Leben. Martin Niemöller wurde 1937 festgenommen; er überlebte die KZ-Haft in Sachsenhausen und Dachau. (…)
Die katholischen Bischöfe standen 1933 dem neuen Regime zwar mit deutlicher Skepsis gegenüber, aber auch sie ließen sich durch Hitlers milde Töne zunächst täuschen: (…) sie (…) riefen zu Loyalität gegenüber der Reichsregierung auf. Diese machte der Kirche im Reichskonkordat vom 20. Juli 1933 weitreichende Zugeständnisse: Sie garantierte die öffentliche Ausübung des Glaubens, den Fortbestand der theologischen Hochschulfakultäten und den Religionsunterricht an den Schulen. Als Gegenleistung wurde Geistlichen und Ordensleuten die Mitgliedschaft in politischen Parteien untersagt. Der Vertrag war vom Vatikan so gut ausgehandelt, dass er bis heute die Basis des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche in Deutschland bildet. Doch die Nationalsozialisten hatten ihn nur zur Steigerung ihres internationalen Ansehens abgeschlossen, nicht in der Absicht, ihn einzuhalten.
Bald begann eine Kampagne der Nadelstiche gegen das vom Konkordat geschützte öffentliche Wirken katholischer Vereine und Organisationen. Sie eskalierte schnell und mündete 1935 in einen von einer Prozesswelle begleiteten Diffamierungskreuzzug gegen die Geistlichkeit, der Geldgier, Machthunger und sittliche Verfehlungen unterstellt wurden. 1937 sah sich Papst Pius XI. gezwungen, mit der Enzyklika „Mit brennender Sorge“, der einzigen in deutscher Sprache, gegen die kirchenfeindliche Haltung des NS-Regimes zu protestieren. (…) Der Druck der Enzyklika wurde verboten; ihre Verkündung von den Kanzeln war nicht zu verhindern.
Hitler reagierte mit einer weiteren Steigerung der Terrormaßnahmen gegen die katholische Kirche, die erst wieder etwas eingeschränkt wurden, als die Kriegsvorbereitungen außenpolitische Konzentration und innenpolitische Ruhe erforderten. Die „Abrechnung“ mit den Kirchen sollte nach dem „Endsieg“ erfolgen. Die Enzyklika stärkte die Widerstandskraft der katholischen Milieus in erstaunlicher Weise. So wagte es die Gestapo aus Angst vor Unruhen nicht, den Bischof von Münster, Clemens August Graf von Galen, nach dessen berühmten Predigten gegen die Euthanasie und gegen willkürliche Inhaftierungen im Sommer 1941 zu verhaften.
Dem Berliner Domprobst Bernhard Lichtenberg, der nach den Pogromen der „Reichskristallnacht“ öffentlich für Juden gebetet und 1941 ebenfalls die Euthanasie verurteilt hatte, fehlte dieser Schutz: Er starb nach zweijähriger Haft 1943 auf dem Transport nach Dachau. Die Grenzen kirchlichen Widerstands wurden 1942 in den Niederlanden deutlich, als die deutschen Besatzer aus Rache für einen öffentlichen Protest der katholischen Bischöfe gegen die Judendeportationen auch die jüdischen Katholiken – unter ihnen Edith Stein, die zuvor verschont geblieben waren, nach Auschwitz in den Tod schickten. Papst Pius XII. soll sich daraufhin auf stille Hilfsaktionen beschränkt haben. An der Frage, ob er Recht daran tat, scheiden sich bis heute die Geister.
Walter Ferchländer © „General-Anzeiger“, Bonn, 17. Oktober 1998