Offener Brief an das selbstverwaltete Jugendzentrum Neustadt
Im Vorfeld der Stadtratssitzung am 19.11.2024 hat die AfD-Fraktion eine Anfrage zu dem selbstverwalteten Jugendzentrum in der Gerichtstraße eingereicht. Diese Anfrage lässt eine Tendenz erkennen, politisch unliebsame Initiativen in ein negatives Licht zu rücken.
Die AfD-Fraktion begründet ihre Anfrage mit der Behauptung, dass das Jugendzentrum in enger Verbindung zu einer lokalen antifaschistischen Gruppe stehe, die laut Antrag „schädlich für unsere Stadt“ sei. Diese Rhetorik wirft die Frage auf, welche Kriterien die AfD bei der Beurteilung von „Schädlichkeit“ anlegt. Es scheint vielmehr, dass hier eine ideologische Abwertung antifaschistischen Engagements erfolgt, ohne dies mit konkreten Belegen zu untermauern.
Unbelegte Vorwürfe und suggerierte Missstände
In ihrer Anfrage behauptet die AfD, dass das Jugendzentrum keine erkennbaren Resultate mit den bereitgestellten Mitteln erzielt habe („Resultate kann man keine erkennen, weder in der Internetpräsenz noch in Angeboten für Jugendliche“). Diese pauschale Kritik bleibt jedoch oberflächlich und geht nicht auf die tatsächlichen Aktivitäten und Erfolge des Jugendzentrums ein. Tatsächlich bietet das Zentrum regelmäßig Workshops, Bildungsangebote und Veranstaltungen an, die junge Menschen befähigen, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen und sich in demokratische Prozesse einzubringen.
Ein zentrales Anliegen des Jugendzentrums ist es, Jugendlichen einen Raum zu bieten, in dem sie sich frei und selbstbestimmt entfalten können. Es sind gerade diese Räume, in denen demokratische Werte wie Meinungsfreiheit, Diskussionskultur und die Beteiligung an Entscheidungsprozessen aktiv gelebt werden. Diese wertvollen Lernprozesse fördern langfristig das Engagement junger Menschen für die Gemeinschaft.
Besonders problematisch wird die Anfrage der AfD in unseren Augen, wenn sie antifaschistische Aktivitäten und Gruppen als Bedrohung für die öffentliche Ordnung darstellt. Die Behauptung, dass „aufgrund der Weinstraßen Antifa zahlreiche Polizisten und/oder das Ordnungsamt in der Fußgängerzone für Ordnung sorgen müssen“, wird ohne konkrete Beispiele oder Belege in den Raum gestellt.
Statt sachlicher Kritik wird hier ein Bild suggeriert, das in das größere Narrativ der AfD passt: Antifaschistische Initiativen werden als Störfaktor dargestellt, während ihre gesellschaftlich wichtige Rolle – wie etwa die Erinnerung an historische Unrechtstaten und die Stärkung demokratischer Werte – unbeachtet bleibt. Gerade in Zeiten, in denen die Erinnerung an die Schrecken der NS-Zeit und die Verteidigung unserer demokratischen Grundwerte wichtiger denn je sind, muss solchen Verzerrungen entschieden entgegengetreten werden.
Der Wert selbstverwalteter Jugendzentren für die Gesellschaft
Selbstverwaltete Jugendzentren wie das in Neustadt leisten einen wichtigen Beitrag zur demokratischen Kultur. Sie bieten jungen Menschen die Möglichkeit, eigenständig Projekte zu entwickeln, solidarisch zu handeln und Verantwortung zu übernehmen. Sie fördern politische Bildung und schaffen Räume, in denen Toleranz, Respekt und Offenheit praktisch erlernt werden können.
Die Bedeutung solcher Orte zeigt sich auch in der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. In einer Zeit, in der wir immer wieder Zeugen von Versuchen werden, Geschichte umzudeuten oder zu relativieren, ist es unerlässlich, dass es Einrichtungen und Organisationen gibt, die sich aktiv gegen Faschismus, Rassismus und Intoleranz einsetzen. Das Engagement junger Menschen für eine gerechte, inklusive und friedliche Gesellschaft sollte deshalb nicht behindert, sondern unterstützt werden.
Solidarität und Unterstützung
Der Einsatz junger Menschen für gesellschaftliche Teilhabe und die Verteidigung demokratischer Werte ist wichtiger denn je. Deshalb bestärken wir Euch darin, weiterhin den Austausch in einem selbstbestimmten Raum zu suchen und daraus zu lernen. Wir möchten dem Jugendzentrum Neustadt sowie Euch dort engagierten jungen Menschen und Gruppen unsere volle Solidarität aussprechen und laden Euch herzlich zu einem gemeinsamen Dialog in die Gedenkstätte ein!